Stromanschlüsse im Zentrum
Kupferschmied, der von den SBB für diesen Posten angefragt wurde, ist Inhaber einer Kommunikationsagentur für Branding und Design sowie Mitbegründer des Coworking-Space «Bureau.d» in Dietikon. Er weist 1150 Facebook-Freunde und über 600 Instagram-Follower auf. Auf Twitter folgen ihm rund 3500 Nutzer. Die in den vergangenen Tagen geäusserte Kritik kann er nicht ganz nachvollziehen, zumal die Unabhängigkeit der Beiträge vertraglich gewährleistet sei: «Den SBB geht es nicht darum, kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen, sondern qualitative Kritik zu generieren», so Kupferschmied. Dass er sich unterbewusst dazu entscheidet, wohlwollende Tweets zu veröffentlichen, denkt er nicht. «Ich bin ein positiv denkender Mensch, der sich gerne kritisch äussert», so Kupferschmied. Niemals würde er respektlose oder undifferenzierte Nachrichten auf Twitter oder Facebook verbreiten.
Da Kupferschmied wegen verschiedener Kunden viel mit dem Zug in der Schweiz unterwegs ist, sieht er sich als digitalen Nomaden, der von unterwegs arbeitet und Coworking-Spaces nutzt. Auf dieser Arbeitsweise liegt auch der Fokus seiner Berichterstattung. In den ersten Beiträgen befasst er sich mit dem kostenlosen W-Lan-Zugriff sowie den Strom-Buchsen in den neueren Interregio-Zügen. «In manchen Zug-Restaurants hat es aber kaum Stromanschlüsse. Dies werden die SBB in einem anderen Tweet bald erfahren und können hier nachbessern.» Die Beiträge sind jeweils mit dem Hashtag «#Sbbservicescout» versehen.
Auch versichert Kupferschmied, dass er ein solches Angebot nicht von jedem x-beliebigen Unternehmen angenommen hätte. «Die SBB geniessen einen sehr guten Ruf und leisten gute Arbeit. Ich würde ihre Angebote nutzen und darüber kommunizieren, auch wenn ich kein Service Scout wäre.» Dass er dabei seine Glaubwürdigkeit, eines seiner grössten Güter als einflussreicher Nutzer der Sozialen Medien, aufs Spiel setzt, glaubt er nicht. «Follower merken es schnell, wenn jemand nicht authentisch ist und lediglich Inhalte gegen Bezahlung wiedergibt.» Aus diesem Grund würde es ihn auch nicht stören, wenn bei Print-Zeitungen die Redaktion und der Verlag nicht zwingend getrennt wären. Hinterfrage ein Text Tatsachen nicht oder sei zu schönfärberisch geschrieben, dann merken dies die Leser.
SBB schon vorher ein Thema
Das SBB-Generalabo sowie die 400 Franken für Spesen sieht Kupferschmied nicht als Lohn, sondern viel eher als Kompensation. Der Unterschied: Ein Lohn werde regelmässig ausgerichtet und die Kompensation einmalig. «Zudem habe ich die SBB bereits vor meiner Aufgabe als Service-Scout thematisiert, nun tue ich dies halt eher bewusst und in einer gewissen Regelmässigkeit.»
Ob die Unabhängigkeit der Service-Scouts tatsächlich gewährleistet ist, zweifelt Josianne Walpen vom Schweizer Konsumentenschutz an. «Vermutlich brauchen die Scouts tatsächlich einen Anreiz, um zu tweeten, doch ist ein GA keine kleine Entschädigung», sagt sie. Dass man bei einem derartigen Lohn eine «Schere im Kopf» habe, sei sehr wahrscheinlich. Auch weiss Walpen, dass die SBB bereits heute viel Feedback von ihren Kunden erhalten. «Anstatt mit teuren Kampagnen mehr Feedback einzufordern, würde man besser die vorhandene Kritik ernst nehmen.»
E-Paper-Ausgabe_Limmattaler-Zeitung_Freitag-1-April-2016